DerZierau: Gefäßspezialisten weltweit – Venenkatheter 1. Wahl: Hintergründe
DerZierau: Gefäßspezialisten weltweit – Venenkatheter 1. Wahl: Jede 2. Frau und jeder 4. Mann in der Bundesrepublik haben Krampfadern. Jeder 8. Erwachsene ist von einer bereits fortgeschrittenen chronischen Venenerkrankung betroffen. Eine Hauptursache ist die Klappeninsuffizienz der Vena saphena magna (VSM) oder Vena saphena parva (VSP), deren Symptome Seitenastvarikosis, Beinschwellungen, Hautpigmentierungen und Offene Beine sind.
Über viele Jahrzehnte war die Venenunterbindung in der Leistenmündung (Venenkrosse) und das Herausziehen der Vena saphena magna und, wenn notwendig, deren Seitenäste die herkömmliche Therapie. Fortschritte der minimalinvasiven Kathetertherapie führten zur Entwicklung der kathetergestützten thermischen Verfahren mittels Radiofrequenz oder Laser. Diese Verfahren haben seit ca. 20 Jahren im klinischen Alltag zunehmend an Akzeptanz gewonnen. Seit 2011 ist auch das Verfahren des Venenklebens in Europa zugelassen.
DerZierau: Gefäßspezialisten weltweit – Venenkatheter 1. Wahl: Die Leitlinien
Mittlerweile haben diese patientenfreundlichen katheterbasierten Therapieoptionen Eingang in viele Leitlinien gefunden und stellen den aktuellen Goldstandard für die Behandlung der Stammvarikose dar. So verabschiedete das American Venous Forum und die Society for Vascular Surgery bereits 2011 neue Leitlinien, in welchen die endovenösen Thermoablationsverfahren (Laser und Radiowelle) zur Therapie der Stamm- veneninsuffizienz empfohlen werden.
Aufgrund einer verkürzten Erholungsphase und schnelleren Arbeitsfähigkeit sowie geringerer postoperativer Schmerzen und empfehlen die Leitlinien die endovenöse Thermoablation der Stammvaricosis gegenüber der chirurgischen Therapie Unterbindung und Herausziehen
In 2013 publizierte das National Institute for Excellence and Care (NICE) in Grossbritannien, neue Behandlungsrichtlinien für die Therapie der Stammvarikosise. Darin werden die endovenösen, thermischen Verfahren als erstes Mittel der Wahl genannt. Nur falls sowohl ein endovenöse thermische oder auch eine kathetergestützte Schaumsklerosierung nicht möglich sind, darf dem Patienten ein operatives Stripping empfohlen werden.
2015 erschienen die neuen Leitlinien der European Society of Vascular Society. Die Autoren waren sich einig, dass die primär zu empfehlende Therapieoption bei Patienten mit venösen Venenklappendefekten die thermische Ablation der Stammvenen sei. Mit dem stärksten Empfehlungsgrad wurde der thermische Verschluss mittels Radiofrequenz oder Lasersystem der Schaumsklerosierung und der chirurgischen Therapie vorgezogen.
Auch die Leitlinien in Deutschland wurden in 2019 /2020 angepasst und nehem nunmehr die Katheterverfahren als Therapie der 1. Wahl in sich auf.
DerZierau: Gefäßspezialisten weltweit – Venenkatheter 1. Wahl: Die Thermischen Verfahren Laser und Radiowelle
Bei der endovenösen Thermoablation der Stammvenen handelt es sich um ein minimal-invasives, kathetergestütztes Verfahren mit diversen Vorteilen gegenüber der chirurgischen Stripping – Op. Die Katheter werden perkutan unter Ultraschallkontrolle in die Magnavene oder Parvavene platziert. Vorteile liegen in geringeren Schmerzen, einer höheren Patientenzufriedenheit und einer schnelleren Rückkehr an den Arbeitsplatz im Vergleich zur radikalchirurgischen Stripping-Op. Zu den endovenösen Thermoablationsverfahren gehören die endoluminale Lasertherapie (ELT) und die Radiofrequenzablation (RFA). Als weiteres Verfahren gilt das Verfahren mit Heißdampf vorgestellt.
Ziel beider Verfahren ist der Verschluss der defekten Venen. Dies wird durch die direkte thermische Schädigung der Venenwand erreicht. Durch die Erhitzung kommt es zur Destruktion der Gefäßinnenwand und als Folge zum thrombotisch-fibrotischen Verschluss der Venen. Ferner koaguliert Blut ab Temperaturen von 70° C bis 80°C, Dampfblasen entstehen ab ca. 100° C und zur Karbonisierung der koagulierten Blutbestandteile kommt es ab 200° C bis 300° C. Diese Temperaturen werden allerdings nur beim Laser, nicht jedoch bei der Radiowelle erreicht. In der multizentrischen, paneuropäsichen Zulassungsstudie des ClousureFast Radiowellen – Katheters war der komplette Verschluss der behandelten Venen bei 92 % der Patienten festzustellen.
DerZierau: Gefäßspezialisten weltweit – Venenkatheter 1. Wahl: Radiowelle versus Stripping
Die EVOLVeS Studie – eine prospektive, multizentrische Studie – zeigte eine durchschnittliche Rückkehrzeit zum normalen Leben in der Radiowellen – Gruppe mit 1,15 Tage gegenüber 3,89 Tagen in der Stripping – Gruppe. 80,5 % der Radiowellen – Patienten konnten bereits am 1. Tag post – OP zu ihren Alltagsaufgaben zurückkehren. Bei Stripping waren es 47% der Operierten. Durchschnittlich nahmen die Patienten nach der Radiowelle nach 4,7 Tagen die Arbeit wieder auf, in der Gruppe der radikal chirurgisch Operierten dauerte es im Durchscnitt 12,4 Tage.
In der Radiowellen – Gruppe zeigte sich eine signifikant geringere perioperative Morbidität (geringere Rate von Hautverfärbungen, Hämatomen und Spannungsgefühlen). Es zeigte sich kein Unterschied in der Rezidivhäufigkeit der Varikose. Der Schmerzmittelverbrauch war während des vierten bis 14. postoperativen Tages in der Radiowellen – Gruppe mit 0,4 ± 0,49 Tabletten Ibuprofen 600 mg pro Tag signifikant geringer als in der Stripping – Gruppe (1,30 ± 1,0 Tabletten pro Tag). Die Fehltage vom Arbeitsplatz waren ebenso signifikant geringer (6,5 Tage ± 3,3 bei der Radiowelle, 15,6 ± 6 Tage nach der radikalen Op).
Aktuell kommen Lasersysteme mit unterschiedlichen Wellenlängen zur Anwendung, einerseits Hämoglobin – spezifische Wellenlängen (810, 940 und 980 nm) und Wasser-spezifische Wellenlängen (1319, 1320 und 1470 nm). Diverse Studien verglichen die Lasertherapie mit der radikalen Chirurgie „Stripping“. Rasmussen et al. untersuchten die Lasertherapie (980 nm) versus Stripping und fanden nach 2 Jahren keinen Unterschied in Bezug auf die Verschlussraten der behandelten Krampfadern innerhalb dieses Zeitrahmens. Ebenso fanden sich keine Unterschiede in der perioperative Vorteile der ELT gegenüber dem Stripping.
Kalteis et al. verglichen Laser (810 nm) und radikales Stripping in 100 Fällen bei einer Magnavaricosis. Obwohl sich in den mit dem Laser behandelten Patienten weniger postoperative Hämatome fanden, traten in der Laser – Gruppe mehr Schmerzen auf und die Länge der Arbeitsunfähigkeit war signifikant verlängert im Vergleich zum Stripping (20 versus 14 Tage).
Pronk et al. randomisierten 130 Beine von 121 Patienten in eine Lasergruppe (980 nm Laser) und eine Stripping – Gruppe. Die Laser – Patienten gaben an den Tagen 7, 10 und 14 post op eine signifikant höhere Schmerzhaftigkeit an als die Patienten nach der Stripping – Op. Die Rezidivrate war nach einem Jahr in beiden Gruppen vergleichbar.
DerZierau: Gefäßspezialisten weltweit – Venenkatheter 1. Wahl: Lasertherapie und Radiowelle
Almeida et al. verglichen in der multizeentrischen RECOVERY-Studie – Radiowelle (ClosureFast Katheter) mit Lasertherapie (980 nm). Im Beobachtungszeitraum von einem Monat fanden sich keine signifikanten Unterschiede in den Verschlussraten der behandel- ten Venen. Allerdings zeigte sich eine signifikante Reduktion von Nebenwirkungen in der Radiowellen – Gruppe. Es kam nach Radiowelle zu signifikant weniger Nebenwirkungen (Blutergüsse, Schmerzen und Spannungsgefühl).
Shepherd et al. verglichen Radiowelle (ClosureFast) und Lasertherapie (980 nm). Am Ende des Beobachtungszeitraums von sechs Wochen fanden sich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Verschlussraten, klinische Scores oder Nebenwirkungen. Allerdings hatten Radiowellen – behandelte Patienten während der ersten zehn postoperati- ven Tage signifikant weniger Schmerzen und einen signifikant geringeren Schmerzmittelverbrauch.
Rasmussen et al. verglichen Laserkatheter (810 nm und 1470 nm), Radiowelle, radikale Chirurgie und die kathetergestützte Mikroschaumtherapie. Zwischen der Laser – Gruppe und der Radiowellen – Gruppe fand sich ein signifikanter Unterschied in den postoperativen Schmerzen zugunsten der Radiowellen-Gruppe Gruppe.
Die post op Verschlussraten unterscheiden sich sowohl im Vergleich Laser / Radiowelle mit radikaler Stripping – Op, als auch im Vergleich Radiowelle zu Lasertherapie innerhalb 2 Jahren nicht. Im Vergleich von Radiowelle und Laser bestätigt sich aber die Erkenntnis, das die Radiowelle nach der Therapie deutlich weniger Schmerzen erzeugt als der Laser
DerZierau: Gefäßspezialisten weltweit – Venenkatheter 1. Wahl: Der Venenkleber
Auf Cyanoacrylat – basierende medizinische Klebstoffe werden seit mehr als 60 Jahren in vielen Bereichen der Medizin ( z.B HNO, Zahnmedizin, Kinderchirurgie, Neurologie uvm.) verwendet. Ihr Einsatz ist vielfältig. So findet er zur Blutstillung bzw. zur Wundverklebung in der Dermatologie, der Zahnheilkunde oder der Ophthalmologie Verwendung. Die Weiterentwicklung zu einem n-butyl-Cyanoacrylat erhöhte die Viskosität und verlängerte die Polymerisationszeit, so dass eine für die dynamischen Bewegungen des Beines notwenige Flexibilität des Klebstoffes gegeben ist. Nach der durch den Kontakt mit Blutbestandteilen und der Gefäßinnenwand ausgelösten Polymerisation des Klebers, kommt es zu einer immunologischen Entzündungsreaktion, die über die Gefäßinnenwand bis in die Gefäßwandmuskulatur hinein reicht und so zu einem dauerhaften Gefäßverschluss führt.
Inzwischen finden sich in der Literatur zahlreiche Studien zur Effektivität des Venenklebers. Bereits die multizentrische FDA-Zulassungsstudie (VeClose) vergleicht die Behandlung der Stammvarikose der Vena saphena magna zwischen dem Cyanoacrylatklerber und der Radiowellen – Therapie. Bis zum September 2013 wurden 242 Patienten eingeschlossen. 108 Patienten wurden mittels Cyanoacrylatkleber und 114 mittels RFO behandelt. Nach drei Monaten waren in der Radiowellen – Gruppe 95,4 % (n = 108/114) und in der Venenkleber – Gruppe 98,9 % (n = 104/108) der behandelten Venen verschlossen. In Bezug auf die Lebensqualität unterschieden sich die beiden Verfahren im Verlauf von sechs Monaten nicht.
Inzwischen liegen allerdings mehrere 5 Jahres – Studien zur Therapie des Venenklebers vor, auch eine 7 Jahres – Vergleichsstudie zur Radiowelle versus Venenkleber wurde veröffentlicht. Letztendlich ist auch die 10 Jahres – Studie von Zierau et al. zu den Erfahrungen und Ergebnissen mit dem Venenkleber VenaSeal® sehr aussagefähig in Hinblick auf Verschlussrate, Effizienz, geringe Komplikationsrate und frühzeitige taggleiche Mobilisierung. Alle diese Langzeitstudien zeigen überzeugend eine Überlegenheit des nicht thermischen Klebers auch gegenüber den thermischen Katheterverfahren.
Zusammenfassen lässt sich basierend auf den aktuellen Leitlinien sowohl der amerikanischen wie auch der europäischen Fachgesellschaften feststellen, dass die Katheterverfahren die Therapie der Wahl bei Stammkrampfadern darstellen. Aufgrund ihrer überzeugenden Effizienz und geringen postoperativen Komplikationen haben sie sich gegenüber den herkömmlichen chirurgischen Verfahren durchgesetzt.
Um so überraschender ist allerdings die Zulassungspolitik der deutschen Gesetzlichen Krankenkassen. Die radikale Stripping – OP wird seit 1906 durchgeführt und wurde in 1949 in der BRD als Therapie der 1. Wahl für die Behandlung der Stammkrampfadern festgelegt. Dies hat sich, trotz der vorliegenden vielen Studien zur Wirksamkeit von Katheterverfahren, bis heute nicht geändert. Lediglich einzelne Krankenkassen schließen mit einigen Ärzten sog. Intergrierte Versorgungsverträge (z.B. TK) ab, die es den Patienten ermöglichen, Laserkatheter oder Radiowellenkatheter – Therapie über die Krankenkasse abzurechnen.
Ein Kostenfaktor allein kann hier nicht der Grund für diese unwissenschaftliche Zurückhaltung der Krankenkassen sein – die amerikanische Gesundheitsbehörde hat nach einer klinischen Erfahrung von 3 Jahren den Venenkleber ab 2018 zur Versicherungspflichtleistung erklärt.
Photos: Utzius
Links / Literatur:
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