Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – 35 Jahre Mauerfall
Saphenion®: Wendezeit an der Charitè – die Charitè als Fernseh – Highlight
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – Aus Anlaß des 35. Jahres nach dem Mauerfall am 9. 11. 1989 möchten wir folgende Zeilen erneut veröffentlichen.
Die TV – Serie über die Charitè war von Anfang an so konzipiert – noch vor dem Erfolg von Staffel eins als erfolgreichster Serie des deutschen Fernsehens seit Urzeiten: Charité sollte keine Serie werden, in denen vertraute Charaktere immer weiter erzählt werden, solange die Quoten sie eben tragen. Nein, mit jeder Staffel wird ein neues Kapitel am berühmtesten deutschen Krankenhaus aufgeschlagen. Mit frischen Charakteren, Autoren und Regisseuren. Nachdem Staffel eins (2017) im Dreikaiserjahr 1888 spielte, hüpfte die Handlung mit Staffel zwei (2019) in die Regentschaft der Nazis und des Zweiten Weltkriegs. Nun steht wieder ein neues „System“ an, mit dem sich die Mediziner und Patienten der Charité auseinandersetzen müssen. Staffel drei spielt 1961 in der DDR, die Handlung beginnt kurz vor Beginn des Mauerbaus.
Mit einem Erfolg von Staffel drei wird die Produktion einer vierten Serie sehr wahrscheinlich werden. Vielleicht endet das Ganze ja über den Mauerfall irgendwann bei Christian Drosten? Hoffentlich nicht, denn die Zeit der Wende und des Mauerfalls gibt reichlich Stoff für eine ernste und realistische Aufarbeitung und reicht für mindestens 6 neue Teile von Charitè 4. Und, ein wichtiger Faktor – hier leben noch Zeitzeugen, die mittendrin waren in den unruhigen Zeiten. Man braucht also gar kein Drehbuch schreiben, man muss nur die Verlierer und Sieger dieser WendeZeit fragen und erzählen lassen.
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – neuer Umgang mit Stasi-Akten?
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – In 2020 hatte die Dokumentensichtung von Gauck – Unterlagen durch die Presse im Fall des Neueigentümers vom Berliner Verlag, Holger Friedrich, für einiges Aufsehen gesorgt. Die Berliner Zeitung bat daraufhin Marianne Birthler und Ilko-Sascha Kowalczuk um ein Gutachten unter Berücksichtigung der gesamten Aktenlage.
Frau Birthler und Herr Kowalczuk haben die Stasi-Akten des neuen Eigentümers des Berliner Verlags analysiert. Ihr differenzierter Bericht zeigt einen anderen Umgang mit vermeintlich und medienaktiv suggerierter schuldhafter Vergangenheit auf, kommt aber zu spät.
Dieser neue Umgang ist durch eine umfassenden Bewertung aller Unterlagen geprägt, eine Vorverurteilung oder gar ein Generalverdacht werden nicht ausgesprochen. Damit aber unterscheidet sich dieses Gutachten bei Weitem von der Herangehensweise zu Beginn der 90er Jahre.
Damals galt der Kontakt zu Partei, Kampfgruppe, DSF oder anderen gesellschaftlichen Organisationen der ehemaligen DDR bereits als Grund zur Kündigung. Mal ganz abgesehen von eventueller Tätigkeit für das MfS.
Bis heute warten die Betroffenen und Interessierten allerdings auf die Aufarbeitung des Elitenaustausch an den Universitäten in der ehemaligen DDR. Es betraf eben nicht nur die Charitè, alle anderen Einrichtungen im Osten wurden ebenso rasiert. Aber die Charitè war – eben auch zur DDR-Zeit – dass berühmteste Universitätsklinikum. Darin liegt das Besondere des großen Interesses von Film, Funk und poilitischen Interessen begründet.
Saphenion®: WendeZeit an der Charité – Eine Dokumentation zum Elitenaustausch, von Johann Gross
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – Die Berliner Charité, Deutschlands bekanntestes Krankenhaus, war zugleich ein Zentrum von Forschung, Lehre und Weiterbildung. Sie war Teil der Universität, welche zu DDR-Zeiten den Namen Humboldt erhielt. Nach dem Ende der DDR fand auch in der Charité ein erheblicher Austausch des Führungspersonals statt, die Medien lieferten die Begleitmusik mit Stasi-Hysterie und Skandalgeschichten. Die Charité, auch zu DDR-Zeiten national und international eine bekannte Universitätsklinik, schien nun in der öffentlichen Wahrnehmung eine Außenstelle des MfS und des Politbüros gewesen zu sein.
Einige der Schlagzeilen lauteten: „Dr. Stasi, bitte in den OP! Sie führen immer noch das Skalpell – die Seilschaft des Todes. Stasi-Ärzte an der berühmten Klinik der Barmherzigkeit (Charité) sollen lebenden Patienten Herz und Leber herausgeschnitten haben…“ die Horrorklinik!“ (BILD).
Auch die westdeutsche „Ärztezeitung“war dabei:“ Da sollen Ärzte der Charité nicht nur an kriminellen Praktiken der Organbeschaffung beteiligt gewesen sein….sondern selbst Hand angelegt haben, in dem sie bewusst ganz schnell den Tod potentieller Organspender festgestellt haben…“.
Und das ARD – Magazin „Panorama“ : In der Psychiatrie sollen sogar Zwangskastrationen und Hirnverstümmelungen vorgenommen worden sein…“
Auch der Spiegel pfiff diese Melodie mit: “ Die Ost – Berliner Charité, einst Renommierklinik des SED – Regimes, war fest in der Hand von Mielkes Stasi. Charité – Ärzte denunzierten Schwestern und Kollegen, verrieten Krankengeschichten ihrer Patienten und beteiligten sich an Menschenversuchen und kriminellen Praktiken zur Beschaffung von Organen.“
Saphenion®: Wendezeit an der Charitè – Herr Prof. Johann Gross hat versucht, Licht in das Dunkel und die Hintergründe all dieser üblen Rufe zu bringen. Herausgekommen ist ein Buch mit unheimlich vielen Fakten und Aufklärungen zu den Vorgängen an der Berliner Charité in den Jahren 1989 – 1995. Und es beweist – auch in diesem Fall ging es um Abwicklung der sog. DDR – Eliten – und Freiräumen von Arbeitsplätzen für so manchen Kollegen aus den alten Bundesländern.
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – Ossiquote?
Vor den Hintergrund der aktuellen Diskussion um eine sog. „OssiQuote“ in Leitungsfunktionen und Spitzenämtern der Parteien und Organisationen der BRD ist diese Rückschau allemal dazu geeignet, die seit 31 Jahren andauernde Schieflage in der Präsenz aus Ostdeutschland stammender Eliten im Zusammenhang mit der jüngeren Historie zu betrachten. In Anbetracht der eigenen Geschichte versucht der Autor eine – sicher unvollständige – Nachzeichung auf dem Gebiet der Charitè – Medizin.
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – Gefäßzentrum aus den Vorgängen dieser Jahre heraus entstanden.
Der Autor dieser News war von 1982 – 1988 Student der Humboldt -Universität in Berlin im Fach Medizin und kennt alle im Buch Genannten als Dozenten, Seminarleiter und später als Kollegen persönlich. Auch die Facharztausbildung auf dem Gebiet der Chirurgie erhielt er nach Approbation und Promotion von 1988 bis 1994 an der Berliner Charitè.
Bereits am 10. 11.1989 in den frühen Morgenstunden wurde ihm beim Blick vom Westufer der Spree auf das Bettenhochhaus der Charité klar, daß jetzt wohl das Ende dieses Klinikums, wie er es kannte und achtete, gekommen ist und es rollten viele bittere Tränen.
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – Gesinnungsschnüffellei wie bei McCarthey
Das dann Erlebte stellte jedoch alle bösen Erwartungen in den Schatten. Schwarze Listen, die Entlassung überaus fähiger Professoren und Oberärzte und dann die Androhung einer eigenen Entlassung…Der Autor wurde damit 1993 konfrontiert – eine Weiterbeschäftigung wurde infrage gestellt. Die Lebensplanung sah bis dahin eigentlich eine gefäßchirurgische Weiterbildung und Habilitation bei Herrn Prof. Klaus Bürger, dem Diplom – und Doktorvater, vor.
Auf eigene Initiative wurde der Autor beim sog. Evaluierungsausschuß der Humboldt – Universität aktiv und beantragte auch ein Gauck – Gutachten. Im März 1994 wurde dann durch Herrn Prof. Bürger die Weiterbeschäftigung und die Führung einer Habilitation angeboten, nachdem sowohl das Gauck – Gutachten, als auch die Bewertung durch den Ehrenausschuß der Humboldt – Universität positiv ausgegangen waren.
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – Die Athmossphäre wird gespenstisch!
Jedoch: Die Athmosphäre an der Charité war, wie in vielen anderen Einrichtungen der ehemaligen DDR auch, wie zu Zeiten der McCarthy – Ära in den USA: Gesinnungsschnüffelei und Angst vor dem Andersdenkenden. Und der Autor selbst war entsetzt, wie diese Automatismen auch hier in dem sich auf Wiedervereinigung getrimmten Deutschland griffen.
Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, die Charité zu verlassen und sich in einer bekannten norddeutschen Venenklinik speziell auf dem Gebiet der Venenheilkunde weiterbilden zu lassen. Ich habe immer noch große Hochachtung vor allen Kollegen, die unter diesen Bedingungen an der Charité weiter arbeiten konnten – ich konnte es nicht.
Aus der weiteren spezialisierten Ausbildung sproß dann die Idee für Saphenion®.Diese Idee wurde dann ab 1997 Realität.
Saphenion®: WendeZeit an der Charité – Konkurrenzkampf mit Stasi-Verunglimpfungen
Es soll auch nicht ungesagt bleiben, dass einzelne Westberliner Kollegen noch lange nach dem Mauerfall, bis weit in die 2000 – Dekade hinein, aus Gründen der Konkurrenz sich nicht schämten, mit einem Übermaß an Primitivität und Populismus sich gegenüber Patienten zu Saphenion® folgendermaßen zu äußern: Da sitzt ein Stasi – Doktor aus der Stasi – Klinik! Die rechtliche Würdigung hat stattgefunden, der üble Beigeschmack bleibt erhalten und wir werden noch heute – im Jahre 2024 – darauf angesprochen!
Der Vollständigkeit halber möchten wir auch darauf verweisen, dass uns selbstverständlich auch einige Kollegen aus Kliniken und Praxen bekannt sind, die eine große Systemnähe in DDR – Zeiten gepflegt haben und nach dem Mauerfall dann sehr schnell in den Westteil des Landes geflüchtet sind und in Kliniken aller alten Bundesländer ohne jede Prüfung eingestellt wurden. Nicht im Geringsten würde dieses Wissen uns ermuntern, gegenüber Patienten argumentativ zu polemisieren, die Kollegen heute noch, nach 35 Jahren, bloßstellen zun wollen aus niederem Konkurrenzdenken.
Saphenion®: WendeZeit an der Charité – Die Enquete – Kommission des Deutschen Bundestages stellte 1998 fest:
„Die von früheren Systemträgern und ehemaligen Nomenklaturkadern immer wieder behauptete Diskriminierung hat in Bezug auf den öffentlichen Dienst nicht stattgefunden. Der Zugang zu öffentlichen Ämtern war ihnen nicht grundsätzlich verwehrt. Zu beachten ist, daß sich die eigentliche Elite der DDR – Bevölkerung nicht nur aus Nomenklaturkadern zusammensetzte; auch zahlreiche befähigte Personen, denen durch die SED – Diktatur der berufliche Aufstieg verwehrt worden war, müssen dazu gezählt werden. Wenn heute die verantwortlichen Positionen in der öffentlichen Verwaltung gleichermaßen mit aus den alten und aus den neuen Bundesländern stammenden Personen besetzt sind, so wird daran auch deutlich, daß in den neuen Ländern kein Elitenaustausch stattgefunden hat.„
…Wenn das von der Enquete – Kommission so gesehen wird, ist die Diskussion um eine „Ossi – Quote“ sicherlich nicht notwendig…
Bleibt dem Autor abschließend eine Erinnerung zur historischen Erbauung. Ein Zitat von Theodor Storm aus dem Jahr 1867, aus einem Briefverkehr nach der Besetzung von Schleswig und Holstein durch Preußen, stellt die gleiche Situation 120 Jahre früher dar:
„Wir können nicht verkennen, dass wir unter der Gewalt leben. Das ist umso einschneidender, als sie von jenen kommt, die wir gegen die Gewalt um Hilfe riefen und die uns jetzt, nachdem sie jene bewältigen halfen, wie einen besiegten Stamm behandeln: indem sie wichtige Einrichtungen, ohne uns zu fragen, hier über den Haufen werfen.
Obenan steht ihr schlechtes Gesetzbuch, worin eine Reihe von Paragraphen ehrlichen Leuten gefährlicher sind als den Spitzbuben, die sie angeblich treffen sollen.
Obwohl das Land – sowohl wegen der Art, wie es das neue Gebiet gewonnen, als auch, weil wir zum geistigen Leben der Nation ein großes Kontingent gestellt haben – alle Ursache zu bescheidenem Auftreten bei uns hat, kommt doch jeder Kerl von dort mit der Miene des kleinen persönlichen Eroberers und als müsse er erst die höhere Weisheit bringen.
Unglaublich die naive Rohheit dieser Leute. Auf diese Weise einigt man Deutschland nicht“
Dank!
An dieser Stelle ein großer Dank an Herrn Professor Johann Gross für seine sachliche, sehr fakten – und an Dokumenten reiche Schilderung der Vorgänge an der Charité in jenen Jahren. Auch 31 Jahre nach dem Erlebten bleibe ich nicht frei von intensiven Erinnerungen und Emotionen!
Ebenso bin ich Herrn Prof. H. Wolff, meinem ehemaligen Chef an der Chirurgischen Klinik der Charitè, zu großem Dank verpflichtet. In aller Offenheit, Selbstkritik und trotzdem selbstbewusst hat Prof. Wolff in einem sehr intensiven Gespräch mit dem Autor 2014 die Situation der Charitè ab Mitte 1989 – 1991 beschrieben und seine Sicht der Dinge dargestellt. Für diese Möglichkeit des Gedankenaustausches und der historischen Aufarbeitung danke ich sehr!
Ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Klaus Bürger. Nach seiner Kündigung in der Charité nahm er sich 2000 eine ganze Nacht Zeit, seinem ehemaligen Doktoranden die Geschichte der Chirurgischen Klinik an der Charitè während der Wendezeit ein wenig zu beleuchten. Und gleichzeitig seine Arbeit an der Charitè nach dem Mauerfall kritisch zu hinterfragen. Das war Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit pur! Und ja – es hat den Autor sehr beeindruckt und auch geprägt…
Und – last but not least – ein Dank an zahlreiche Patienten aus beiden Teilen Deutschlands, die mich ermutigt haben, die Gedanken zum Thema Elitenaustausch einmal auf zu schreiben, abseits vom täglichen Praxisbetrieb und ausnahmsweise nicht auf das Wesentliche des medizinischen Fachgebiets bezogen.
Saphenion®: WendeZeit an der Charitè – Die Band Rockhaus 2024 in Rostock
Photos / Video: Utzius
Literatur / Links:
https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00772-007-0571-7
https://www.zeit.de/1992/13/war-hier-jemand-held/seite-3
https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-0590-4160.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Komitee_für_unamerikanische_Umtriebe
https://www.dtv.de/buch/anja-goerz-der-osten-ist-ein-gefuehl-34875/
https://www.eulenspiegel.com/verlage/edition-ost/titel/wendezeit-an-der-charite.html
http://www.spurensicherung.org/texte/Band5/franke.htm#top
https://de.wikipedia.org/wiki/Arno_Hecht_(Pathologe)
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/13/110/1311000.pdf
https://searchworks.stanford.edu/view/11896854
https://www.prisma.de/news/Charite-Kritik-zur-3.-Staffel-der-ARD-Serie,27995595
https://www.mdr.de/kultur/kino-und-film/serie-ddr-charite-dritte-staffel-100.html
Ulf, das hast Du gut heraus gearbeitet. W.N.
danke Dir, Werner!